{nl}Ich leb in einem kleinen Ort – da weiß ein jedermann sofort wenn hier etwas geschieht – es ist das alte Lied. Und es ist auch wie überall – geredet wird auf jedem Fall, meistens hinter hohler Hand – (auch das ist ja bekannt.) Nun stellte ich die Frage mir – „Wie mache ich es jedem Recht – und fühl` mich dabei selbst nicht schlecht?“ Die Antwort ist : – „Das wird im Leben niemals gehn`. Du kannst nicht Everybodys-Darling sein – oder du gehst ein.“ Es begann gleich nach Annas Tod – mein Herz, es war in großer Not, doch irgendwie bekam ich`s hin: – die Beerdigung ganz in ihrem Sinn. Und schon ging das Gerede los. – Man flüsterte: “Was macht die bloß für neumodische Sachen – das kann man doch nicht machen.“ Ich dachte:“ Na, ihr müsst es ja wissen.“ – doch ich fühlte mich be… – bescheiden. – Das wollte ich vermeiden! Dann hab` ich ohne zu fragen – sehr lange „schwarz“ getragen. Ihr denkt: „Wen kann das stören?“ – Doch ich bekam zu hören: “Ach nein – das muss doch wirklich nicht mehr sein, in der heutigen modernen Zeit – da ist „Frau“ doch so weit, dass sie das nicht mehr tut. – Ich dachte mir: „Na gut.“ Doch kaum kam ich in „bunt“ nach Haus` – schimpft mich die Schwiegermutter aus: „Nein Kind, das geht so nicht – ein Jahr ist doch wohl Pflicht.“ Ich fragte nach: Wo steht denn das?“ – Doch da verstand sie keinen Spaß und sagte spitz: „Du mußt es selber wissen.“ – Und ich fühlte mich be… – bescheiden. – Ja, wie soll ich mich nun kleiden? Meine Welt war dunkel, kalt und leer – drum lief ich traurig nur umher. Doch nun spricht man: “Was die da tut – das ist doch ganz bestimmt nicht gut.“ Und wollte mich bedrängen: – „Komm, lass den Kopf nicht hängen. Es wird ja alles wieder gut.“ – (Wie gut doch mancher Ratschlag tut!) Ich sah es noch nicht wirklich ein – doch sagt` ich mir: „Es muss wohl sein, willst du, dass man noch mit dir spricht, – dann mach ein freundliches Gesicht.“ Man sah mich also sprechen, lachen – und hier und da ein Späßchen machen. Da hörte ich mit Schreck.: – „Jetzt ist sie drüberweg!“ Na, das ist ja gut zu wissen! – Und ich fühlte mich be… – bescheiden. – Das kann ich garnicht leiden. So geht`s auch mit der Feierei.: – Ist einer freudig mit dabei, und feiert ausgelassen – dann kann man es nicht fassen. „Wie kann der nur so fröhlich sein! – Sein Kind ist tot, darf das denn sein?“ Doch ließ ich mich nur kurz dort sehn` – konnt` mancher das auch nicht verstehn`. „Das ist doch schon so lange her – warum fällt ihr das noch so schwer?“ Eine andere meint sie weiß Bescheid: – „Das ist alles Selbstmitleid.“ Ich dachte: „Klar, du musst es ja wissen.“ – Und ich fühlte mich be… – bescheiden. – Die konnt` ich noch nie leiden! Eine andere wollt` mir ´nen Gefallen tun – und sagte:„Laß die Toten ruhn`.“ Ich nickte andachtsvoll – und dachte mir: „Na, toll! Keiner fragt, wie es mir geht – Keiner weiß, wie`s um mich steht.“ In mir da stieg die Wut. – Doch das war auch nicht gut, denn fiel einmal ein böses Wort, – dann wandte man sich von mir fort und zog die Stirn in Falten – „Darf man sich so verhalten?“ Nein, Wut, das ging zu weit! – …es war `ne schwere Zeit. Oft gehe ich zum Friedhof hin – ganz einfach, weil ich gern dort bin- will das Grab in Ordnung halten – und es schön gestalten. Die meisten lassen mich in Ruh` – und nicken mir recht freundlich zu. Doch nicht jeder scheint das gern zu sehn` – ein Nachbar, der blieb bei mir stehn` und sagte: „Davon kommt sie auch nicht wieder.“ – Ich senkte die Augenlieder und atmete tiiiiief ein…. – ganz kurz nur dachte ich an Mord. – Doch da ging er auch schon fort. Zwei Reihen weiter blieb er stehn`, – denn da traf er wieder wen. Dort hat er sich dann aufgeregt – andere Gräber seien ungepflegt, das sei nicht zu ertragen – Was soll man dazu sagen? Ich will es garnicht wissen – doch ich fühlte mich be… – bescheiden. – Ich war echt zu beneiden! Auch ein Fremder ging am Grab vorbei – und meint zu mir ironisch: „Ei, das machen Sie aber toll.“ – Und er fragt, ob er eine Pinzette holen soll. Ich knurre und ich schmoll – doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. (War da nicht vor kurzer Zeit – ein Kursus für Schlagfertigkeit.? Warum habe ich den nicht besucht – Verflucht!) In dem Moment, da wurd` mir klar – was für ein Idiot ich war. Ich hatte echt die Sch…(sorry) Nase voll – und fragte mich nun, was das soll. Der eine hott, der andere hü. – und ich gab` mir auch noch Müh` es jedem recht zu machen. – das war doch wohl zum Lachen- und der Mühe gar nicht wert, – denn irgendwie war`s doch verkehrt. Ich denk bei mir: „Es reicht mir nun! – Ich hab mit mir genug zu tun. Ich hör` nicht mehr auf jeden – lass doch die Leute reden. Und was, das will ich gar nicht wissen – (und werd`s auch nicht vermissen). Man kann nicht immer einer Meinung sein – das seh` ich ganz gewiss wohl ein, doch die, die wirklich meine Freunde sind – (sie trauern mit mir um mein Kind) versuchen noch mich zu verstehn` – wenn sie die Dinge anders sehn`. Sagen sie: “Du musst es wissen.“ – fühle ich mich nicht be… – bescheiden . – ´Drum kann ich sie so gut leiden! Ich geh von nun an durch den Tag – wie ich es brauch`, wie ich es mag. Und wenn man jetzt darüber spricht – was einer darf (oder auch nicht), dann ist es mir egal. – Ich treffe jetzt die Wahl. Geht es meiner Seele schlecht – dann nehme ich mir auch das Recht mich der Trauer hinzugeben – sie gehört zu meinem Leben. Und hab` ich einmal etwas Mut – und meinem Herzen geht es gut, dann will ich das auch leben – ja, das ist nun mein Streben. Somit mache ich jetzt jedem Mut: – Tu einfach das, was dir gut tut – und überleg` nicht noch – die Leute reden doch! (Helga Schlüß)