3 Jahre ohne Dich !
In diesem Jahr habe ich mich oft gefragt, was mich diese lange Zeit hat überleben lassen. Vor Deinem Tod habe ich immer gedacht, dass ich den Tod eines meiner Kinder nicht überleben werde, aber es gibt mich noch. Wie viel ein Mensch ertragen kann, haben mir diese 3 Jahre gezeigt. Geschafft habe ich diese Zeit nur mit der Liebe, die ich tief in mir habe für Dich, meine kleine Familie und die Menschen, die noch an unserer Seite sind. Menschen, die immer für mich, für uns da waren, die mir Liebe, Wärme, Geborgenheit, Zuspruch und Hoffnung gegeben haben, wenn ich mal wieder nicht weiterwusste. Menschen, die uns ausgehalten haben, egal wie schwierig wir auch geworden sind.
An manchen Tagen war es ein Anruf, eine Mail, ein Brief oder nur eine liebe SMS, die mir geholfen haben, den Tag zu überstehen.
Es gab und gibt Situationen, die wir nur mit unserer Maske überstanden haben. Das sind dann aber auch die Menschen, die gar nicht merken, dass das nicht wirklich wir sind. Ich glaube, sie könnten uns ohne Maske gar nicht ertragen.
Manchmal brauchen wir Masken
für das alltägliche Rollenspiel,
um funktionieren zu können,
wie es von uns erwartet wird.
Manchmal brauchen wir Masken,
um unser wahres Gesicht,
unser verletzliches Inneres
nach außen hin zu schützen.
Manchmal sehnen wir uns danach,
unsere Masken abnehmen zu können,
endlich wir selbst sein zu dürfen
und als solche geliebt zu sein.
………“Totschweigen ist wie ein zweites Sterben“ (Anja Wiese)
Das Verschweigen von Jessica, unserer Trauer und unserem jetzigen Leben macht die Beziehungen zu anderen sehr schwer. Unsere tote Tochter gehört immer noch zu uns und es kostet uns wahnsinnige Kraft dieses Leben nun so zu leben. Wird dieser Teil unserer Person ignoriert, so bleibt eben ein Loch, dass die ganze Beziehung löchrig macht. Wie würden diese Menschen sich fühlen, wenn wir uns ihre freudigen Ereignisse nicht anhören wollten, schnell das Thema wechseln würden oder alles totschweigen ?
Ein Elefant ist im Raum. Breit sitzt er da und es ist schwierig, um ihn herumzukommen.
Und doch quetschen wir uns vorbei, sagen „Wie geht`s ?“
Und „Mir geht`s gut“.
Und viele andere Floskeln und Geschwätz.
Wir reden über das Wetter. Wir reden über die Arbeit.
Außer – über den Elefanten im Raum.
Ein Elefant ist im Raum.
Wir alle wissen, dass er da ist.
Wir denken an den Elefanten, während wir miteinander reden.
Wir denken ständig an ihn.
Er ist nämlich ziemlich groß.
Er tut uns allen weh.
Aber wir sprechen nicht über den Elefanten im Raum.
Bitte, sagt ihren Namen.
Bitte, sagt noch einmal „Jessica“.
Bitte, lasst uns über ihren Tod reden,
dann können wir vielleicht auch über ihr Leben reden.
Kann ich den Namen „Jessica“ in eurer Gegenwart sagen, ohne wegschauen zu müssen ?
Denn wenn ich das nicht kann, dann lasst ihr mich
Allein…….
In einem Raum….
mit einem Elefanten.
Ich glaube, dass wir nach außen hin auf viele Menschen so wirken, als wenn wir mit dem Tod von Jessica ganz gut zurechtkommen. Nur wir wissen, dass diese Trauer dauern wird bis zu unserem eigenen Tod.
An dieser Stelle möchte ich gerne einen Auszug aus dem Buch „ Und ihr Lächeln ist immer noch vertraut“ von A. Siewert zitieren:
„Nach dem Tod eines Kindes bleibt eine Ruine. Aus dieser versuchen Eltern etwas Neues zu bauen. Dabei drehen und wenden sie jeden Stein.
Einige Steine haben wir schon übereinander türmen können, einiges hat vielleicht schon Konturen, aber ein neues, ganzes…..? Solange leid tragende Trauer in der Gesellschaft als störend empfunden wird, wird es schwer mit dem Neugestalten. Immer wird lebenslange Trauer, auch wenn verändert, auf unserem Lebensweg liegen.
Es ist wichtig, Bausteine zu sammeln, sie zu drehen und zu wenden. Solche Bausteine können wichtig sein bei dem Versuch eines Neuaufbaues. Wir benötigen viele Bausteine und ebenso viele Zulieferer, doch die sind rar gesät. Viele Menschen in unserem Umfeld wissen nicht, dass sie Zulieferer sein könnten. Auch kleine Bausteine sind wichtig für einen Neuaufbau unserer verletzten Seelen. Manchmal müssen auch erneut Risse hingenommen werden, weil in unserem Umfeld davon ausgegangen wird, dass Tod und Trauer um unsere toten Kinder endgültig abgeschlossen zu sein hat. Aber wir, die wir unsere Kinder verloren haben, sind verändert. Wir leben in einer anderen Welt, einer Welt, die viele um uns herum zum Glück nicht kennen, vielleicht der eine oder andere erahnen kann, wenn er sich darum bemüht.
Sie können und müssen uns nicht verstehen. Wir müssen verstehen, dass sie es nicht können und einige auch nicht wollen. „
Noch immer sind wir auf der Suche nach einem lebbaren Leben und auch das wird wohl den Rest unseres Lebens so bleiben. Manchmal hat man lebbare Zeiten, Zeiten zum Durchatmen und Krafttanken. Dann liegt wieder ein schier unüberwindbarer Felsbrocken auf dem Weg und von denen gab es im Jahr 3 jede Menge. So leicht wäre es einfach aufzugeben, weil man keine Kraft mehr hat, sich aufzumachen, einen neuen Weg zu suchen.
Einen Weg suchen,
nicht zu steil, damit er einem
nicht den Atem nimmt.
Einen Weg suchen,
nicht zu weit, damit er einem
nicht die Kräfte raubt.
Einen Weg suchen,
der nach vorn führt,
ein kleines Stück weit an jedem Tag,
einen Weg, der ganz
dir selbst entspricht,
hin zu dem Haus,
an dessen Tür „Heimat“
geschrieben steht.
Als ich in diesem Sommer durch ein Labyrinth gegangen bin, hatte ich zuvor die Auswahl zwischen zwei Sinntexten. Ich habe mich dann folgenden Text entschieden:
Das Heute
stellt nicht die Frage,
gehst Du falsch
oder richtig?
Das Heute
stellt die Frage,
gehst Du?
Beim Gehen merkte ich, dass dies genau der passende Text für mich ist. Nichts ist schlimmer, als auf der Stelle zu verharren. Dort ändert sich nichts. Es ist auch egal, ob man auch mal in einer Sackgasse landet, den falschen Weg gewählt hat, so wie es uns dieses Jahr passiert ist. Wichtig allein ist, niemals aufzugeben und das allein habe ich durch Dich gelernt.
Du warst und bist immer bei uns, gibst uns Zeichen, wenn wir nicht mehr weiterwissen, zeigst uns noch immer Deine bedingungslose Liebe. Dieses Leben ist oft einfach nur so unendlich schwer und macht auch schon mal Angst, doch der Glaube daran, dass Du uns begleitest, gibt uns die nötige Kraft.
Haben wir wirklich mal ein Leben voller Leichtigkeit und Glück geführt. Es scheint, als wäre dieses schon Jahrzehnte her und doch sind es erst 3 Jahre. Ein Blitz ist durch die Zeit gefahren und hat sie durchtrennt. Die Zeit mit Jessica und die Zeit ohne sie. Ich fühle mich so viel älter, als ich es bin.
Der Schmerz ist sanfter geworden oder hat man sich inzwischen an diesen Dauerschmerz gewöhnt, dass man es gar nicht mehr anders kennt ? Auch heute gibt es Momente, an denen alles so unwirklich ist und ich mir klar machen muß, dass Du wirklich nie wieder kommst. Ich versuche immer wieder, mich gegen dunkle Hoffnungslosigkeit zu wehren. Du hast so eine große Leere hinterlassen und ich leide an der Zerrissenheit meines Lebens, alle Tränen sind Tränen der Liebe, der Sehnsucht, aber auch der Hoffnung, in dem Glauben an die Unzerstörbarkeit des Lebens.
Tränen
Tränen sind bitter, Salzseen des Herzens,
ätzen den Schmerz aus uns heraus.
Tränen sind heiß, verbrennen die Seele,
die es nicht begreift, dein Leben ist aus.
Tränen sind Wasser, waschen die Wunden,
spülen sie aus und machen sie rein.
Tränen sind Balsam und Pflaster für Narben,
die den Rest unseres Lebens ein Zeichen werden sein.
Tränen sind Tröster, geweint von Freunden,
die sich getraun, den Weg mit zu gehen.
Tränen sind hilflose Rufe zum Himmel,
um Gott zu sagen, dass wir`s nicht verstehn.
Doch Tränen sind auch die edelsten Steine,
nur alleine geweint für dich, mein Kind.
Meine Tränen sind für dich und sollen dir zeigen,
wie eng wir für immer verbunden sind.
Tränen sind Schmerz, der in Liebe sich wandelt,
Liebe zu dir, zum Leben, zur Welt.
Tränen können sich aber nur dann verwandeln,
wenn sie mein Herz nicht bei sich behält.
Und wenn alle Tränen geweint sein werden
und nichts mehr in mir ist,
was mich noch quält,
dann, mein Kind,
darf ich gehen von dieser Erden,
und wir werden uns umarmen
in deiner Welt.
Regina Tuschl
Einen wesentlichen Teil von mir hast Du mitgenommen und ich werde nicht versuchen, diesen Teil durch etwas anderes zu ersetzen. Manchmal überkommt mich die Angst, irgendetwas von Dir zu vergessen, Dein Bild zu verlieren, doch ich weiß, dass Du ganz tief in meiner Seele bist und damit bist Du sicher verankert. Hier ist der Raum, wo wir beide uns immer wieder begegnen.
Dein Bruder durfte im September seinen 18. Geburtstag feiern. Der Geburtstag, der Dir so wichtig war und über den Du so oft gesprochen hast. Was hattest Du nicht schon alles für Pläne mit 18. Dein wichtigster Wunsch war aber ein Hund. Wie sehr bereue ich es, dass ich Dir diesen Wunsch nicht erfüllt habe.
Nun muß ich auch Deinen Bruder wieder ein Stück weit loslassen. Wie schwer fällt es mir, ihn allein mit dem Auto fahren zu lassen, aus lauter Panik, auch ihn noch zu verlieren. Wie dumm von mir, denn gerade da, wo ich Dich am sichersten glaubte, nämlich in Deinem Bett, bist Du von uns gegangen.
Im Kreise von betroffenen Eltern fällt es uns wieder leicht, ausgelassen, albern und fröhlich zu sein. Hier denkt niemand: „Schau, sie lachen ja wieder, dann geht es ihnen ja endlich wieder gut“. Hier schaut auch niemand komisch, wenn im nächsten Moment die Tränen laufen. Jede Freude hat auch eine andere Seite, es wird nie wieder das gleiche Glück von früher sein. Nichts ist mehr selbstverständlich, auch nicht, dass so viele wunderbare Menschen uns auf unserem Weg begleiten.
Wir versuchen, uns wieder ein klein wenig an diesem Leben zu erfreuen, was nicht leicht ist bei dieser dauernden Achterbahnfahrt und diesem Chaos an Gefühlen, die wir in uns tragen. Doch ich weiß, dass Du willst, dass wir wieder leben und je lebendiger ich werde, desto lebendiger wirst Du in mir, weil Du Dich mitfreust.
Solange wir leben,
werden sie auch leben,
denn sie sind nun ein Teil von uns
wenn wir uns an sie erinnern.
(aus Tore des Gebets – jüdisches Gebetsbuch)
Du bist immer noch ein Teil unserer Familie, bei allem dabei, wenn auch für uns nicht mehr sichtbar. Aber es bringt mich manchmal um den Verstand, Dich nicht mehr zu spüren. Ich vermisse Dein Lachen, Deine Zärtlichkeit, Deine strahlenden Augen und Deine ansteckende Lebenslust.
Die Liebe hat sich gewandelt,
sie ist nun unendlich zart
und doch stark,
still,
dennoch voller Lebendigkeit,
fern
aber in jedem Augenblick gegenwärtig
sie ist geheimnisvoll
und doch ganz klar
rein und frei von allen Dingen dieser Welt.
Nun ist sie daheim
In der Geborgenheit des Herzens,
im Schutze der Erinnerungen,
unantastbar,
unbesiegbar,
unverlierbar
(Petra Fuchs)
Du fehlst uns allen unendlich. Wie gerne würden wir ein Leben mit Dir an unserer Seite leben, unsere gemeinsamen Träume verwirklichen.
Ich musste in den letzten 3 Jahren lernen, wer ich ohne Dich bin. Ich kannte mich selber nicht mehr und habe meine alte Identität ablegen müssen, um komplett neu anzufangen. Mein altes Leben gibt es nicht mehr und ich habe es geschafft, einen neuen Sinn zu finden. Ende des Jahres bin ich mit meiner Ausbildung fertig, die ich am Anfang fast wieder abgebrochen hätte, weil ich dachte, dass ich es nicht schaffe. Auch hier habe ich ein so deutliches Zeichen von Dir bekommen, dass dies der richtige Weg war und ich nicht einfach aufgeben sollte.
Hautnah – Maya Saban
Ich sprech für dich
Wenn deine Stimme schweigt
Ich seh für dich
Wenn sich der Weg dir nicht zeigt
Ich geb dir Mut
Und glaube felsenfest
Alles wird gut
Alles wird gut
Denn ich bin Hautnah bei dir
Hautnah bei dir
Und wenn alles auseinander fällt
Und dich nichts mehr hält
Bin ich immer noch hier
Ich sing für dich
Wenn deine Lieder traurig sind
Stell mich für dich
Gegen den Gegenwind
Ich kämpf für dich
Wenn du müde bist
Bin da für dich
Wenn es sonst keiner ist
Alles wird gut
Alles wird gut
Denn ich bin Hautnah bei dir
Hautnah bei dir
Und wenn alles auseinander fällt
Und dich nichts mehr hält
Bin ich immer noch hier
Immer noch hier
Ich bin immer noch hier
Ich bin Hautnah bei dir
Hautnah bei dir
Und wenn alles auseinander fällt
Und dich nichts mehr hält
Bin ich immer noch
Hautnah bei dir
Hautnah bei dir
Und wenn alles auseinander fällt
Und dich nichts mehr hält
Bin ich immer noch hier
Bin immer noch hier
Immer noch gehe ich gern mit Taylor allein in die Natur. Ich brauche diese einsamen stillen Stunden, um Dir ganz nahe zu sein, um meine Gedanken zu ordnen, um meinen Tränen freien Lauf zu lassen und um zur Ruhe zu kommen. Hier schaffe ich es meistens, dass in mir eine ganz tiefe Dankbarkeit zurückbleibt, dass ich diese Jahre mit Dir haben durfte.
Ich verspreche Dir, dass ich auch im Jahr 4 weiterkämpfe, nicht aufgebe !
Danke, dass Du immer noch da bist – Danke für Deine Zeichen.
Ich liebe Dich – ohne Anfang und ohne Ende.
Ich trage Dich in mir, bis wir uns wieder treffen.
In Liebe Deine Mama
Du bist der Wind zwischen meinen Flügeln