7 Jahre ohne Dich
So wie ich mich im letzten Jahr schon gefragt habe, warum ich hier noch über meine Gedanken und Gefühle schreibe, habe ich mich das auch in diesem Jahr wieder gefragt und ich habe für mich auch eine Antwort gefunden. Ich möchte einfach gegen das Totschweigen und Vergessen von Dir ankämpfen. Es tut so unglaublich weh, dass es nur noch ganz wenige Menschen gibt, die Dich erwähnen, noch von Dir erzählen. Wir erwarten ja schon gar nicht mehr, dass wir noch gefragt werden, wie es uns geht. Nein, es ist nicht so, dass man immer wieder Salz in die Wunde streut, wenn man von Dir redet, genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist wohl aber eher so, dass andere damit nicht klar kommen und Dich lieber ganz schnell vergessen möchten.
Der Vulkan ist erloschen
Der Berg der Trauer
Wird zum See der Erinnerung
Tränen
Harte Arbeit
Der Weg ist weit
Manchmal sehe ich ihn nicht mehr
Fühle nicht mehr Deine Hand
Bekomme Angst,
Dass ich diese Wüste
nicht mehr verlassen kann…
Dann
Geht die Sonne auf
Und ich erkenne
Die Wüste ist ein Paradies
Jeden Tag wird es einfacher
Weiterzugehen
Zu vertrauen
Das Leben anzunehmen
Nur, wenn die Angst mich überfällt
Möchte ich wegrennen
Nie wiederkehren
Ich schaffe das nicht…
Doch Du führst mich
Durch jede Gefühlslandschaft
und zeigst mir
Die Oasen meines Herzens!
Wann endlich
Kenne ich den Weg?
Monika Günther
Das siebte Jahr war voll mit Gedanken, wie es mit Deinen Zukunftsplänen ausgesehen hätte. Immer wieder habe ich mich gefragt, was Du wohl nach der Schule gemacht hättest. Neben uns gab es da nur noch einen Menschen, der mir diese Frage gestellt hat, was ich mir für Dich hätte vorstellen können. Ich weiß nur genau, wozu Du keine Lust gehabt hättest.
In der Zeitung konnte man die Namen der Abiturienten lesen.
Nur Du warst nicht dabei.
Im Fernsehen wurde von Abschlussfeiern berichtet, junge Frauen in ihren Abendkleidern gezeigt.
Nur Du warst nicht dabei.
Wie gerne wäre ich mit Dir losgezogen, um Dir ein wunderschönes Kleid zu kaufen. Wie sehr hat sich Dein Papa darauf gefreut, mit Dir an diesem Abend zu tanzen.
Oft habe ich versucht, mir vorzustellen, wie Du heute als junge 19-jährige Frau aussehen würdest, aber das gelingt mir nicht. Du wirst immer mein kleines 12-jähriges Mädchen bleiben und genauso möchte ich Dich auch gerne wiedersehen.
Weißt Du, dass Du mir ein unsichtbarer Begleiter geworden bist?
Ich trage Dich in mir, Du hast Wurzeln geschlagen, in meinem Herzen.
Du hast mir geholfen, den Schmerz zu ertragen,
hast mich nicht allein gelassen in dieser Zeit.
Ich ahne, wir sind nicht getrennt.
Ist meine Sehnsucht nach Dir groß, so bitte ich Dich,
dass Du mich besuchst, in meinen Träumen.
Weißt Du, dass Du mir ein unsichtbarer Lehrer geworden bist?
Mein Herz hat sich geweitet,
durch Dich,
die Welt der Seele ist mir nicht mehr fremd,
durch Dich.
Es ist wieder Frieden möglich, in mir,
es darf wieder geschehen, das Leben.
Weißt Du, was jedoch nie vergehen wird?
Dass mit Dir ein Geheimnis verschwunden ist, von dieser Welt,
das es niemals mehr so geben wird,
das ich so gerne hätte ergründen wollen.
Verfasser leider unbekannt
Es ist auch nach sieben Jahren nicht so, dass ich den Schmerz durchlebt habe und hinter mir gelassen hätte, ich lebe noch immer mit ihm und hoffe noch weiter daran zu wachsen. Ich werde niemals über Deinen Verlust hinwegkommen. Der Schmerz hat dauerhaft in meiner Seele Wohnung genommen. Er ist ruhiger geworden und beherrscht mich nicht mehr, aber er ist immer da. Nach diesen sieben Jahren habe ich aber auch gelernt, dass es möglich ist, die Trauer für den Rest meines Lebens zu spüren und doch gleichzeitig Freude zu erfahren. In den ersten Jahren war der Verlust so übergroß, dass er die einzige Emotion war. Ich weiß aber heute auch, dass es gut war, vor meiner Trauer nicht davonzulaufen, mich diesem fast unaushaltbaren Schmerz zu stellen, sonst hätte Dein Tod zu einem späteren Zeitpunkt noch größere Ausmaße angenommen. Wer so einen Schicksalsschlag verleugnet, weigert sich den Verlust als das anzuerkennen, was er ist: Etwas Grauenhaftes, das nicht ungeschehen gemacht werden kann.
Den Verlust eines Kindes kann man nicht in dem Sinne überwinden, dass irgendwann einmal alles so ist wie vorher. Ein Beinbruch heilt und ist bald vergessen, aber eine Amputation niemals. Auch mit einer Amputation oder einer Querschnittslähmung muss man den Rest seines Lebens leben, in total veränderter Form.
Was uns bleibt, sind wunderschöne Erinnerungen – die teilweise auch heute noch sehr schmerzhaft sind, sowie auch Deine Fotos und insbesondere die Videoaufnahmen von dir. Fotos sind unbewegt und leblos, schön aber tot, ein Schnappschuss. Diese Aufnahmen sind ein armseliger Ersatz für die vielschichtige Beziehung, die wir zu Dir hatten.
„Das Ewige ist nicht fern oder überhaupt nur „anderswo“. Es gibt nichts, was so nah wäre wie das Ewige. (…) Die ewige und sterbliche Welt liegen nicht nebeneinander, sie sind vielmehr miteinander verschmolzen. Auf gälisch gibt es dafür einen sehr schönen Ausdruck: fighte fuaighte, ineinander und durcheinander gewoben“.
Dein Verlust zwang uns dazu, reifer zu werden. Nun wünschen wir uns oft, dass auch Du von diesem Wachstum profitieren könntest, den Dein Tod mit sich brachte.
Der Schritt von der Verzweiflung zur Hoffnung, von der Verbitterung zur Vergebung, vom Hass zur Liebe und vom Stillstand zur Lebendigkeit hängt von der Entscheidung ab, wie wir auf den Verlust und die unabänderliche Vergangenheit reagieren wollen. Wir können die Situation nicht verändern, aber wir können zulassen, dass die Situation uns verändert.
Ich trage deine Gedanken in mir
und wiege sie sanft wie ein Kind.
Daraus wächst und entwickelt sich ein Wir,
das uns traumhaft und selig umspinnt.
Mit deinen Augen betrachte ich staunend das Meer,
mit deinen Ohren lausch ich dem Wind.
Und mit all meinen Sinnen spür ich so sehr,
dass ich ohne dich taub bin und blind.
Ich taste mich mit deinen Händen zum Licht.
Mit deinen Füßen gelingt es mir, Wege zu wagen.
Und im Spiegel erkenne ich, dass mein Gesicht
und das deine gemeinsame Züge tragen.
Elli Michler
In diesem Jahr habe ich ganz besonders bewusst die Unzufriedenheit vieler Menschen gespürt. Ich konnte so vieles nicht verstehen, worüber „gejammert“ wurde, oder warum man einfach so schlechte Laune hat. Sehen sie nicht das große Glück, was sie noch haben?
Es macht mich manchmal noch wütend, aber oftmals bedauere ich diese Menschen auch. Am liebsten möchte ich ihnen sagen, dass sie ihre Augen öffnen sollen und sich ernsthaft Gedanken darüber machen sollen, was wirklich wichtig ist im Leben.
An dich denken
so, wie jetzt:
dich weit weg
lächeln sehn
im Schlaf.
Die Hand durch die Nacht
in dein Haar schicken
und einen Kuss
wie eine Sternschnuppe
durch deinen Traum.
Die Ferne aufrollen
wie eine Schnur
an deren Ende
deine Wärme ist.
Jörn Pfennig, 1944