Beppo Straßenkehrer{nl}{nl} Aus dem Buch „Momo“ von Michael Ende{nl}{nl} {nl}{nl} Er fuhr jeden Morgen lange vor Tagesanbruch mit seinem alten, {nl}quiet-schenden Fahrrad in die Stadt zu einem großen Gebäude. Dort {nl}wartete er in einem Hof zusammen mit seinen Kollegen, bis man ihm einen {nl}Besen und einen Karren gab und ihm eine bestimmte Straße zuwies, die er {nl}kehren sollte. {nl}{nl} {nl}{nl} Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch {nl}schlief. Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war {nl}eine sehr notwendige Arbeit.{nl}{nl} Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig:Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter: Schritt – Atemzug – Besenstrich.{nl}{nl} {nl}{nl} Während er sich so dahinbewegte, vor sich die schmutzige Straße und {nl}hinter sich die saubere, kamen ihm oft große Gedanken. Aber es waren {nl}Gedanken ohne Worte, Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie {nl}ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder{nl} wie eine Farbe, von der man geträumt hat. Nach der Arbeit, wenn er bei {nl}Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken. Und da sie auf ihre {nl}besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen{nl} Worte. „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es{nl} ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, {nl}die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“ {nl}{nl} {nl}{nl} Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und{nl} dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes{nl} Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was{nl} noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es {nl}mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht {nl}mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht {nl}machen.“ {nl}{nl} {nl}{nl} Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: „Man{nl} darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss {nl}nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den {nl}nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“ {nl}{nl} {nl}{nl} Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf{nl} einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht{nl} hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“ Er nickte vor sich hin und sagte abschließend: „Das ist wichtig.“ {nl}{nl} {nl}{nl} {nl}{nl} {nl}{nl}{nl}
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