6 Jahre ohne Dich

Wie oft ich vor einem leeren Blatt gesessen habe und dann wieder alles beiseite gelegt habe, kann ich gar nicht zählen.

Was soll ich noch über meine Gefühle schreiben, was ich nicht schon bereits geschrieben habe ? Bis zuletzt war ich mir nicht im Klaren darüber, ob ich über meine Gedanken noch öffentlich auf deiner Homepage schreiben möchte. Anfangs war das Schreiben eine Erleichterung für mich und jetzt ringe ich nach Worten, die ich nicht finde oder nicht das wirklich Gemeinte oder Gefühlte ausdrücken. Vieles was wir erlebt haben, was wir fühlen, möchte ich nicht mehr öffentlich machen, dafür ist unser Vertrauen in diesem Jahr zu sehr missbraucht worden.

Dankbar bin ich allen Menschen, die aber auch jetzt noch von Dir erzählen, wie z.B. dass sie von Dir geträumt haben, die mir lustige Geschichten von Dir erzählen, die sie mit Dir erlebt haben oder aber die einfach noch an unserem Leben teilnehmen, unsere heimlichen Tränen sehen und auch nach sechs Jahren noch unsere Trauer spüren.

Du fehlst noch immer mit der gleichen Intensität, wie all die Jahre vorher. Oftmals habe ich das Gefühl, dass meine Sehnsucht nach Dir immer stärker wird. Verstehen kann dies wohl nur, der weiß, was es heißt, ein Kind zu verlieren.

Das alles aber sind Gefühle, die meist tief in mir verschlossen sind und die ich mich meist nur noch bei ebenfalls betroffenen Eltern auszusprechen wage. Wer will es denn sonst noch hören ?

Diese Erfahrung war im sechsten Jahr für mich die schwerste. Niemand spricht mehr Deinen Namen aus, nur noch ganz wenige fragen uns auch noch, wie es uns geht. Unsere „Schonzeit“ hat selbst bei uns nahestehenden Menschen ein Ende und es wird überall von uns erwartet, dass wir wieder „normal“ funktionieren.

Für uns aber gibt es dieses „normal“ nicht mehr, nie wieder.

Dein Tod oder unsere Trauer ist nicht mehr das allzeit bestimmende Thema für uns, aber es wäre oft hilfreich und einfacher, wenn man auch für uns noch ein offenes Ohr hätte.

 

Ich habe gelernt,Leid zu ertragen,
Schmerzen zu verbergen
und mit Tränen in den Augen zu lachen…

…nur um den anderen zu zeigen,
dass es mir „Gut“ geht
und um sie glücklich zu machen…!

Verfasser unbekannt

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Meine 2 Leben

Seit dem Tag als Du gingst von mir,
stecken zwei Leben tief in mir.
Das Heute in der jetzigen Zeit
und mein anderes Leben in der Vergangenheit.

Mein lächelndes Gesicht zeig ich im Heute,
so wie es erwartet wird von den Leuten.
Versteck meine Sorgen und mein Leid,
So wie jeder mich kennt aus der anderen Zeit.

Bin ich zuhause und in meiner Freizeit,
Darf ich endlich leben in der Vergangenheit.
Muss nicht mehr verstecken mein gebrochenes Herz,
darf sein wie ich mich fühle, voller Schmerz.
Hab endlich meine Maske beiseite gelegt,
Darf offen zeigen was mich unentwegt quält.

Die anderen Leute würden es nicht verstehen,
denken ale meine Trauer müsste langsam vergeh.,
Drum zeig ich ihnen was sie sehen wollen
Spring hin und her zwischen zwei Rollen.

Verf. unbek.

Ich arbeite und lache wieder,
aber die Trauer ist immer dabei!
Ich hoffe, sie müssen nie verstehen.

(John Travolta nach dem Tod seines Sohnes)

Wenn ich von Dir erzähle,
sagen sie:
„So lange ist das schon her?“

Zeit-300x275
Aber diese Zeit hat kein Maß
sie ist nicht berechenbar.
Diese Zeit ist wie ein Bild von Dir
immer gleich –
Es kommt nichts mehr dazu
und nichts mehr geht davon weg.

Diese Zeit ist stehen geblieben
wie eine Uhr deren Batterie leer ist.

Man kann sie nicht ersetzen
nicht austauschen.

Die Zeit DANACH
ist zeitlos

 

felsbrocken-300x201Trauern ist wie ein großer Felsbrocken.
Wegrollen kann man ihn nicht.
Zuerst versucht man,
nicht darunter zu ersticken,
dann hackt man ihn Stück für Stück kleiner,
und den letzten Brocken
steckt man in die Hosentasche
und trägt ihn ein Leben lang mit sich herum

Auch im sechsten Jahr gab es immer noch Tage, wo die Trauer mich gelähmt hat. Es hat dann auch keinen Sinn, mich mit irgendetwas abzulenken, denn dadurch wird es nicht besser. Mit Sicherheit bin ich noch lange nicht bei dem letzten Stück des großen Felsbrocken. An den meisten Tagen aber empfinde ich eine sanfte mich immer begleitende Trauer, die nun einfach zu mir gehört.

Schmerz, du ungebetener Gast,

wie oft holst du mich aus tiefstem Schlaf, um mir zu zeigen, daß du wieder da bist

Am Tage verfolgst du mich auf Schritt und Tritt, Machst so manche Vorhaben zunichte.

Rücksichtslos zeigst du mir stetig meine Grenzen.

Manchmal betäube ich dich, was du mir später doppelt heimzahlst.

Wenn ich stumm werde, weil du jede Freude, jedes Lächeln in mir erstickst, wenn

ich mich schließlich in mich verkrieche,

können nur noch meine

stillen Tränen ausdrücken,

was ich fühle.

 ( Annegret Kronenberg ) 

Ich fühle mich manchmal so alt und weiß doch, dass mein Körper manchmal streikt, weil ich mal wieder zuviel von mir erwarte. Ob ich jemals wieder die Energie von früher bekomme, glaube ich inzwischen nicht mehr.

Dein Körper macht nicht mehr das, was du ihm sagst.

Er entschuldigt sich mit einer Schwäche,

die du bisher nicht kanntest.

Dir fehlt Spannkraft

Und du weichst schweren Belastungen lieber aus,

wo du sie früher als Herausforderung begrüßt hast.

 

Manchmal ist deine Seele schwerfällig:

Du fühlst nicht, was du fühlst,

du bist innerlich müde und weißt,

das Schlafen nicht helfen wird.

Neue Gedanken sind dir mühsam

Und alte Ansichten langweilen dich.

 

Zu hoffen, dass es weitergehen wird,

zu glauben, dass alles seinen Sinn hat,

zu lieben, was dich immer wieder enttäuscht,

und das schwarze Loch der zynischen Lebenshaltung

tut sich immer wieder neu auf.

Aber du kämpfst weiter

(Ulrich Schaffer)

 

Den Stürmen des Lebens zu trotzen beginnt mit der Bewusstwerdung, dass sie kommen werden. Wir hoffen und beten, dass uns nur noch wenige heimsuchen, doch wir müssen immer wieder damit rechnen. Und wenn sie kommen, werden wir gegen sie ankämpfen, auch wenn wir schon am Boden liegen. Wir haben uns immer wieder für die Hoffnung entschieden.

Der Sinn des Lebens ist ein verborgener Schatz,
für den es alles einzusetzen gilt, wenn wir ihn heben wollen.
Er wartet und drängt sich uns nicht auf.
Die Hoffnung ist wie eine Schaufel,
mit der wir nach dem Sinn graben können.

Ulrich Schaffer

Ich danke Dir, dass Du mir immer wieder zeigst, dass Du bei mir bist, mir kleine Zeichen Deiner Liebe schickst, gerade dann, wenn ich sie ganz besonders brauche.

Meine Trauer wird zu Dankbarkeit werden,
und die Liebe wird mich eine andere,
ganz neue Nähe erfahren lassen,
die keiner Worte und keiner Berührungen mehr bedarf;
eine Nähe, für die Zeit und Raum keine Bedeutung
mehr haben werden,
weil sie aus dem erwächst, was wir einander sein durften.
Und vielleicht wird mich eines Tages gerade diese Nähe,
die mir nichts und niemand mehr nehmen kann,
die Kraft finden lassen, den Menschen,
die nun den Weg mit mir weitergehen,
etwas vom Reichtum meiner schmerzlichen Erfahrungen
zu schenken.

(Irmgard Ehrat)

„Wohin ich auch gehe – du bist dabei.
Ich fühle ganz deine Nähe,
als ob es nie anders gewesen sei. …
Mit geschlossenen Augen kann ich dich sehn
und ich weiß: Die Liebe wird bleiben.“

(Elli Michler)

 

Es ist so viel geschehen, was Du nicht miterleben durftest. Du wärst jetzt eine junge Frau und würdest das letzte Jahr zur Schule gehen, um nächstes Jahr dein Abitur zu machen. Das alles kann ich nur noch mit Deinen Freundinnen erleben. Wir versuchen, so gut es eben geht, an dem Leben anderer teilzuhaben, auch wenn es manchmal so weh tut, weil uns gerade dadurch gezeigt wird, was wir mit dir nicht mehr erleben dürfen. Es gab Zeiten dieses Jahr, wo ich ungerecht war und mich gefragt habe, warum andere ihr normales Leben haben dürfen, obwohl ich dachte, dass ich die Phase des Neides überstanden habe. Ich bin an der gleichen Stelle meiner Trauerspirale gelandet, nur mit größerem Abstand. Ich sehne mich so sehr nach dem perfekten kompletten Familienleben, was wir mit dir hatten.

Ich habe keine Angst mehr, Dich zu verlieren, so wie ich sie in den letzten Jahre hatte. Du lebst weiter in mir. Der Unendlichkeit deines Seins bin ich mir zutiefst bewusst und ich weiß, dass wir uns eines Tages wiedersehen. Meine tiefe innere Bindung zu Dir hilft mir, mein Leben immer wieder in den Griff zu bekommen, wenn einmal wieder gar nichts geht, weil meine Sehnsucht nach Dir so groß ist, dass sie kaum auszuhalten ist. Ich habe mir eine eigene kleine Welt erschaffen, in der Du immer deinen Platz hast, mit uns weiterlebst. Deinen Tod werde ich wohl niemals wirklich begreifen.

 

Der nächste Schritt

Selten ist ein Weg von Anfang bis Ende immer sichtbar. Oft sehen wir nur den nächsten Schritt. Vielleicht würden wir sonst überwältigt sein von dem, was vor uns liegt. Unsere Kurzsichtigkeit ist auch eine Gnade. So wird unsere ganze Kraft frei für den nächsten Schritt, für die Aufgabe der Stunde und des Tages. Wir konzentrieren uns auf den Moment, der zu bewältigen ist, auf den Augenblick, der so viele Möglichkeiten in sich birgt, auf die Verwandlung der Schwere ins Leichte, auf das gefüllte Wort und die Bedeutung eines einziges Blicks. Und am Ende des Tage, des Jahres, am Endes eines Lebensabschnitts, und am Ende des ganzen Lebens bilden die vielen Schritte einen unnachahmlichen Weg, der nur unseren Namen tragen konnte.

Ulrich Schaffer

 

Ich habe dieses Jahr viele Texte oder Zitate von anderen Verfassern in diesen Text eingefügt. Ich finde mich in jedem dieser Texte wieder. Sie drücken das aus, was ich denke, was ich fühle und wofür ich nicht mehr die richtigen Worte finde. Im Moment bin ich in einer Phase, in der mich nicht mehr ganz öffnen kann, dafür ist einfach zuviel passiert. Es gibt nur noch ganz ganz wenige Menschen, die wirklich wissen, was ich fühle, wie es mir wirklich geht und zu denen ich noch Vertrauen habe, aber:

 

Ich wage es
an mich selbst zu glauben:
an meinen Drang nach Reife,
an meine Liebesfähigkeit,
an meine Begabung zur Freundschaft,
an meine entschiedene Ausdauer,
an meine immer neue Hoffnung.
Aber auch wenn ich versage und Fehler mache,
wenn ich unnötig verletze,
wenn ich anderen die Freiheit nehme,
wenn ich kleinkariert werde,
wenn ich mich nicht mehr erneuere,
wenn ich hart und unnahbar werde,
auch dann will ich glauben,
daß neben der Zerstörung
auch das Lebensförderliche in mir wohnt,
und ich will es hervorlocken
mit meiner Hoffnung und meinem Mut.

(Ulrich Schaffer)